Schwimmkran der Benrather Maschinenfabrik AG

Am Bau der Olympic-Class-Liner schwitzten nicht nur viele tausend Arbeiter von Harland & Wolff – einen Großteil der „schweren“ Arbeiten verrichtete ein Deutscher ganz allein: der Schwimmkran der Benrather Maschinenfabrik AG. Während die Werft ihre Hellingen den Ausmaßen der geplanten Schiffe anpasste, gab das Belfaster Schiffsbauunternehmen in Düsseldorf gleichzeitig einen Schwimmkran in Auftrag, der vor allem nach den jeweiligen Stapelläufen der Liner bei der Fertigstellung am Ausrüstungskai eingesetzt werden sollte. In den Büchern des Benrather Industrieunternehmens ist im abschließenden Geschäftsbericht des Jahres 1908 auch eine Zahlung von Harland & Wolff enthalten. Benrath ist heute ein Stadtteil Düsseldorfs.106.672,47 Mark überwies die Werft im Monat Oktober. Der Bauauftrag besaß die Nummer 29208.

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Dem war ein von Problemen begleiteter Aufbau vorangegangen. Beim Richten des Krans in Belfast weigerten sich die irischen Arbeiter, die äußerste Spitze des Auslegers zu installieren. Der Aufstieg war ihnen scheinbar zu hoch und somit zu riskant. Daraufhin forderte der deutsche Richtmeister Hilfskräfte aus Benrath an. Die Installateure erhielten von der Werftführung die Erlaubnis, über dem fertigen Kran die schwarz-weiß-rote Flagge zu hissen, wenn die Arbeiten noch in der festgelegten Zeit beendet werden konnten. So geschah es. Angespornt durch die Idee der Schiffsbauer wurde der Kran fristgerecht fertiggestellt. Und auch die Werftführung hielt Wort – die Flagge wehte kurze Zeit später über Irland. Die heimischen Arbeiter aber blickten dem ausländischen Banner mit gemischten Gefühlen entgegen.

Mittlerweile hatten sich die Firmenstrukturen der Benrather Maschinenfabrik AG geändert. Fusioniert mit „Bechem & Keetmann“ nannte sich die Benrather Maschinenfabrik von nun an „Duisburger Maschinenfabrik“. Im Jahre 1910 kamen nochmals die Firmen Ludwig Stuckenholz aus Wetter und die Märkische Maschinenbauanstalt dazu. Der Name änderte sich entgültig in „Deutsche Maschinenfabrik AG“ (DEMAG).

Olympic und Titanic befanden sich gerade im Bau, da kam der Schwimmkran auf Queens Island bereits zum Einsatz. Schon bei der 1909 an die White Star Line gelieferte Laurentic kamen die Schiffsbauer in den Genuss, schwere Lasten mit dem neumodischen Kran zu heben. Tonnenschwere Schornsteine, Kessel und Maschinen konnten von nun an problemlos in den Schiffsbauch gehievt werden.

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Obwohl er bei der deutschen Stahlbaufirma zum Typ 14 gehörte, stellte der Belfaster Kran ein Einzelstück dar. Für Harland & Wolff wurde die Hebekonstruktion erstmalig nicht mitten auf dem Schwimmponton, sondern nah am vorderen Ende der Plattform installiert, so dass der Abstand von Ponton zum Stahlgerüst auf drei Seiten gleich groß war. Der Ponton maß eine Größe von 46 mal 26 Metern. Je nach Wunsch konnte die Krankonstruktion durch eine Drehachse zur gewünschten Seite geschwenkt werden.

An der höchster Ebene trug der 42 Meter lange Ausleger einen Haken, an dem bis zu 50 Tonnen schwere Lasten gehoben werden konnten. 30 Meter vom Drehpunkt entfernt befand sich hingegen der Haupthaken. Hiermit konnten gar Gegenstände bis 150 Tonnen getragen werden. Die Reichweite des großen Hakens betrug bei Höchstlast 17,3 Meter, der kleine konnte bis 50 Meter ausgefahren werden. Für minderschwere, häufiger vorkommende Lasten diente eine Hilfskatze von fünf Tonnen Tragkraft, die auf der gesamten Länge des Auslegers verfahrbar war.

Sämtliche Triebwerke des Krans wurden elektrisch bewegt, der erforderliche Strom von einem Dynamo erzeugt, der sich zusammen mit Kesselanlage und Kohlenvorrat im vier Meter hohen Ponton befand. Das Führerhaus ragte 21,5 Meter über Wasser und war über eine 78-stufige Wendeltreppe zu erreichen. In dieser Höhe bot es dem Steuermann ein übersichtliches Arbeitsfeld. Und während der Begriff „Kran“ früher mit der Vorstellung fett und schmutzstarrender Räderwerke, düsterer und von unerträglichem Lärm erfüllter Führerhäuser unzertrennlich war, machte das Innere des neuen Arbeitsgerätes den Eindruck eines kleinen, gut eingerichteten Maschinenhauses. Vor der Witterrung geschützt konnte der Kranführer seiner Last volle Aufmerksamkeit zuwenden.

OlympicKranName

Harland & Wolff war nicht die einzige Werft, die sich für die Benrather Krane interessierte. Swan, Hunter & Wigham Richardson in Wallsend am Tyne hatte bereits zuvor den Kran eines ähnlichen Typs bestellt. In erster Linie sollte er zum Einsetzen der großen Dampfkessel in die Mauretania dienen. Die Tragfähigkeit von 150 Tonnen entsprach bis zu diesem Zeitpunkt selbst bei feststehenden Kranen der Seltenheit. Auf schwimmenden Pontons war eine solche Leistung bis dato noch unerreicht geblieben. Für dieses Gebilde hatte die Benrather Maschinenfabrik eine Meisterleistung vollbracht. Im Anwendungsgebiet des Kranes befand sich eine Brücke. Die Unterkante dieser Überführung lag bei Springflut 26,2 Meter über dem Wasserspiegel. Der in  aufgerichtetem Zustand mehr als 40 Meter hohe Kran musste daher so gebaut werden, dass er eine der Durchfahrtshöhe entsprechende Neigung annehmen konnte.

Bis 1936 lieferte die Duisburger Maschinenbau AG insgesamt 112 Schwimmkrane aus. Nur acht von ihnen entsprachen dem Typ 14. Bis 1940 gehörte er zu den größten von DEMAG gebauten Kranen. Harland & Wolff nutzte ihren noch bis Mitte der 70er Jahre bevor er schließlich zum Verschrotten nach Schottland verkauft wurde. Bevor der Kran aber in seine Einzelteile zerlegt wurde, hatte er eine letzte Aufgabe zu erfüllen. Er half beim Abwracken der HMS Eagle, dem seinerzeit größten Kriegsschiff der Royal Navy, das seinerzeit bei Harland & Wolff gebaut wurde.

George McAllister, ehemaliger Mitarbeiter von Harland & Wolff, erinnert sich: „Der Kran war ein Werkzeug, das täglich gebraucht wurde. Wir schenkten ihm daher keine große Beachtung. Aber ich erinnere mich an ein großes Modell des Kranes. Es stand in den Hallen von Harland & Wolff, die im letzten Jahr abgerissen worden sind. Ich weiß leider nicht, wo es hingekommen ist.“ George weiß ebenfalls, dass der Kran nicht nur im Schiffbau, sondern auch im Stahlbau von Harland & Wolff eingesetzt wurde. Diese Abteilung der Firma konstruierte beispielsweise Brücken.

von Jens Ostrowski

Quellen:

1. Bericht über Revision der Geschäftsbücher und des Abschlusses für das am 31. Dezember 1908 abgelaufene Geschäftsjahr / Auftragsbuch Benrather Maschinenfabrik AG, Spalte „England“, 1908
2. Benrather Maschinenfabrik AG, Kapitel: „Schwimmende Ausrüstungskrane“, undatierter Firmenkatalog
3. Duisburger Maschinenbau AG, „Werft und Schwimmkrane“, erschienen zur „Deutschen Schiffbau-Ausstellung“, Berlin 1908
4. „Zeitschrift des Vereines Deutscher Ingenieure“, Nr.8 – Band 52, 22. Februar 1908
5. „Zur Geschichte der Riesenkrane“, Sonderdruck der DEMAG-Nachrichten, März 1937
6. „Der Industrie Hafen“, DEMAG-Duisburg, Firmenkatalog, 1913
7. Duisburger Maschinenbau Ac.Ges. (vormals Bechem und Keetman), Exposition Universelle, Bruxelles, 1910
8. „The Shipbuilder“, Vol. VI, No. 22, Autumn Number, 1911

Dank für Hilfe an Bill Austin und George McAllister (ehem. Mitarbeiter von H&W, die sich an den Kran erinnern), Andreas Pfeffer, Prof. Dr. Wessels (Archiv DEMAG), Frederik Zimmermann

(Erstveröffentlichung in der Titanic Post des Titanic Verein Schweiz)