Conspiracies at Sea: Titanic and Lusitania

Autor: J. Kent Layton
Umfang: 384 Seiten
s/w Fotos und Abbildungen
ISBN: 9781445653938
Preis: £ 19,99

Conspiracies ist die Mehrzahl von Conspiracy. Conspiracy bedeutet Komplott oder Verschwörung. Ein Komplott ist eine Verabredung zu einem Verbrechen. Eine Verschwörung ist im angelsächsischen Strafrecht ein Verbrechen. Und eine Verschwörungstheorie erklärt ein Ereignis als Ergebnis eines zielgerichteten konspirativen Wirkens von Personen.

Das Buch „Conspiracies at Sea: Titanic und Lusitania“ befasst sich also mit Verschwörungen rund um die beiden Schiffe. Insgesamt sind es zwölf Kapitel plus Vorwort des Autors und Epilog. Allerdings verteilt sich die Seitenzahl nicht so gleichmäßig auf die beiden Schiffe wie die Kapitel – 82 Seiten befassen sich mit Verschwörungstheorien rund um die Titanic, 204 Seiten mit Verschwörungstheorien rund um die Lusitania; 132 davon mit der Ursache der zweiten Explosion. – Diese Seitenzählerei soll deutlich machen, dass die Lusitania den größeren Schwerpunkt des Buches ausmacht, das sehr spezielle Aspekte der beiden Schiffsuntergänge untersucht. Die neue Theorie, dass ein verheerendes Feuer den Untergang der Titanic verursachte, wird nicht betrachtet, da das Buch vor Bekanntwerden dieser Theorie veröffentlicht wurde.

„Conspiracies at Sea“ startet vielversprechend mit einem sehr lesenswerten Vorwort inklusive der Feststellung, dass in einer Zeit, in der Informationen für alle in Hülle und Fülle schnell verfügbar sind, merkwürdigerweise Verschwörungstheorien schnell an Boden gewinnen und sich ausbreiten. Der Autor hat die Absicht, die bekanntesten Verschwörungstheorien um Titanic und Lusitania argumentativ zu widerlegen. Damit wird das Buch aber vorhersehbar, da von Anfang an klar ist, dass die in diesem Buch aufgeführten Verschwörungstheorien haltlos sind. Die meisten Verschwörungstheorien haben dabei die Schwäche, dass sie erst mit dem Unfall bzw. der Torpedierung ihre fatale Wirkung erzeugen konnten, d. h. wenn es eine Verschwörung im Wortsinne gegeben hat, dann muss von Anfang an der Unfall oder die Torpedierung das Ziel gewesen sein. Von daher betrachtet J. Kent Layton ausgehend vom deutschen Sprach- und Rechtsverständnis größtenteils alternative Fakten und widerlegt diese. Eine Ausnahme stellt das Kapitel dar, das sich mit der Ursache für die zweite Explosion nach der Torpedierung der Lusitania befasst: Dieses Kapitel hätte gut und gerne zu einem eigenständigen Buch werden können. Der Preis dafür wäre aber gewesen, dass der Name „Titanic“ nicht im Titel aufgetaucht wäre.

Die Abbildungen in dem Buch sind in zwei Bildblöcke zusammengefasst. Das ausgewählte Bildmaterial ist in Ordnung, allerdings sind die Abbildungen, denen bei der Untersuchung, ob Titanic und Olympic getauscht wurden, große Bedeutung zukommt, von der Größe her wenig augenfreundlich. Und durch die Anordnung der Bilder muss man zudem blättern, wenn man im entsprechenden Kapitel die zugehörigen Abbildungen betrachten möchte, um die Argumentation mit eigenen Augen nachzuvollziehen.

Ein neuer Aspekt wurde vom Autor bei der Verschwörungstheorie, dass die Admiralität die Lusitania bewusst vor die Torpedorohre eines deutschen U-Bootes geschickt hat, um so den Kriegseintritt der USA auf Seiten der Entente zu provozieren, vorgelegt: Gestützt auf „The Lansing Papers 1914-1920“ präsentiert der Autor die These, dass 1915 ein Kriegseintritt der USA auf Seiten der Entente den Mittelmächten geholfen (!) hätte, also nachteilig für Großbritannien gewesen wäre. – In dem Zusammenhang vermisse ich allerdings eine kritische Auseinandersetzung mit den Handlungen von Kapitän Turner, dem in diesem Kapitel die Missachtung von Anweisungen der Admiralität vorgehalten wird. Offen bleibt damit, ob Turner unfähig, unwillig oder gar ein deutscher Agent war.

Alles in allem ist es ein Buch, in dem die Ergebnisse der Kapitel mit Ausnahme von der Ursache der zweiten Explosion vorhersehbar sind. Im Mittelpunkt stehen Teilaspekte der Geschichte der beiden Schiffe und damit verbunden sind oftmals technische, politische und rechtliche Betrachtungen. Unklar bleibt für mich, wer dieses Buch eigentlich lesen sollte. Es richtet sich ganz klar gegen Verschwörungstheorien, doch wer davon überzeugt ist, wird nicht zu dem Buch greifen – und wer kein Anhänger der Verschwörungstheorien ist, erfährt durch dieses Buch nicht unbedingt etwas Neues.
sst, Navigator Nr. 77