Titanic – Solving the Mysteries

Autor: Chirnside, Mark; Fitch, Tad; Georgiou, Ioannis; Hall, Steve; Halpern, Samuel; Layton, J. Kent; Wormstedt, Bill
Umfang: 424 Seiten
Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9780464619345
Preis: 44,95 US$

Wie der Titel des Buches, so sind auch die Namen der an diesem Werk beteiligten Autoren teilweise und der des Herausgebers vielversprechend. Mithilfe der neuen Medien, vor allem Facebook und einer eigenen Facebookseite, schafften es die Herausgeber, in Titanicer-Kreisen großes Interesse zu wecken. Auch nicht zuletzt wegen des relativ hohen Preises war ich wegen all dieser Faktoren dementsprechend gespannt, was mich erwarten wird.

Um es gleich vorweg zu nehmen: die hohen Erwartungen konnten leider nicht erfüllt werden – zumindest nicht, wenn man als Leser die aktuellen Forschungen rund um die im Buch behandelten Themenblöcke (Bunkerfeuer als Mitursache für den Untergang und Zeitdifferenz Bordzeit Titanic zur New-York und Greenwich-Zeit) in den letzten zwei Jahren aufmerksam verfolgt hat. Schon die Durchsicht des Inhaltsverzeichnisses, das das Buch – trotz der hohen Seitenzahl – nur in zwei Abschnitte unterteilt, lässt erahnen, dass „Titanic – Solving the mysteries“ quasi eine zur Buchform ergänzte Version der ausführlichen Onlineartikel „Fire and Ice“, A Question of Time“ und „Time & Again“  ist, die Teile der Autoren seit 2011 bereits veröffentlicht haben. Damals waren diese gut recherchierten Artikel noch kostenlos als pdf herunterzuladen, aber auch damals für mich persönlich schon mit wenig Neuem versehen, da deutschsprachige Autoren wie Imre Karacsonyi oder Markus Philipp ihre Forschungsergebnisse zu den gleichen Themen bereits zuvor im Navigator veröffentlicht hatten – übrigens mit den gleichen Ergebnissen.

Aber zurück zum Buch.

Auf den ersten 100 Seiten des Werkes wird ausführlich Senan Molonys Bunkerfeuertheorie widerlegt. Wie bereits durch Imre Karacsonyi 2017 (Navigator 77, „Weshalb Eis stärker als Feuer ist“, Online-Zusammenfassung hier) werden hierfür Deckpläne und Zeugenaussagen analysiert. Zusätzlich wird mit zahlreichen Fotografien, die nach dem „Beweisfoto“ aus dem Kempster-Foto mit „schwarzen Fleck“ von der gleichen Stelle des Rumpfes entstanden sind, bewiesen, dass der „Fleck“ nichts mit dem Bunkerfeuer zu tun haben kann. Teilweise ist die Herleitung etwas langatmig und man kann meinen, dass die Begründung, warum das eine Foto nicht als Beweis taugt, wenn es doch so viele andere Fotos gibt, nicht bei jedem einzelnen Vergleichsfoto gebetsmühlenartig wiederholt werden muss. Wie ich finde bekommt Molony zu Recht folgerichtig in der Zusammenfassung des Buches vorgeworfen, dass er seine längst widerlegte Theorie in seinem neuen Buch („Titanic: Why She Collided, Why She Sank, Why She Should Never Have Sailed“, siehe Navigator 88, Dezember 2019, Seite 44) nochmal aufgreift.

Die restlichen 300 Seiten widmen sich der Ermittlung der exakten Zeitpunkte der Ereignisse an Bord der Titanic. Das Ergebnis in einem Satz: Die Zeitdifferenz zur New York-Zeit zum Zeitpunkt des Untergangs der Titanic betrug 2 Stunden und 2 Minuten. Zu diesem Ergebnis war Navigator-Autor Markus Philipp ebenfalls gekommen – für die Herleitung benötigte er jedoch keine 300 Seiten. Was bei den Autoren Halpern und Fitch 2011/12 übrigens auch noch nicht der Fall gewesen war. Man muss sich Fragen, ob es wirklich nötig ist, so ausführlich auf  die falschen Fährten einzugehen, auf die man gelangen kann, wenn man sich mit dem Thema beschäftigt. Aber das ist Geschmackssache.

Insgesamt lässt sich zusammenfassend sagen, dass es sich bei „Titanic – Solving the Mysteries“ um ein rundum solide recherchiertes Werk von teilweise namenhaften Autoren handelt, das an machen Stellen etwas zu detailliert auf eher unwichtige Randdetails eingeht und für den gut informierten Titanicer nicht den Mehrwert erzielt, den der Titel erhoffen lässt.

MFP, Der Navigator Nr. 89