How to survive the Titanic? The Sinking of J. Bruce Ismay

Autor: Frances Wilson
Umfang: 328 Seiten
ISBN: 9781408809228
Preis: £ 18,99

Seit das Buch von Frances Wilson, einer Journalistin und Autorin von drei Non-Fiction-Büchern aus London, im vergangenen August vergangenen Jahres erschien, steht es heftig und kontrovers in der Kritik, auch namhafter Autoren wie Senan Molony und David Hill.
Die geradezu vernichtende Kritik von Historiker Senan Molony hatte mich neugierig gemacht, daher las ich Wilsons Buch sehr aufmerksam. In der Tat enthält es ziemlich viele sachliche Verstöße der Autorin (u.a. sechs Waisenbabies, zwei deutsche Prinzen, Falschschreibung von Namen, Fehlinterpretationen von maritimen Sachverhalten …). Es wäre dem Buch wirklich dienlich gewesen, wenn ein Titanic– oder anderer Maritim-Historiker das Manuskript gelesen und vielleicht ein Vorwort geschrieben hätte.
Ich möchte es der Autorin nicht absprechen, eine sehr fleißige Arbeit abgeliefert zu haben, was z. B. auch aus den 45 Seiten Anhang hervorgeht (Nachwort, Anmerkungen zum Text, jeweils umfangreiche Bibliografie und Index). Wie auch David Hill von der BTS sagt, hat sie überwiegend negative Äußerungen anderer Autoren wiedergegeben und so wiederum ein einseitig verzerrtes Bild des IMM- und White Star Line-Vorsitzenden vermittelt – das stereotype Bild des Verantwortungslosen, vorwiegend durch die amerikanische Presse geprägt. Ein Bild, das der Persönlichkeit von Bruce Ismay nicht gerecht wird.
Die Autorin Frances Wilson teilt ihr Werk in zwei Teile ein: „Auf See“ und „An Land“, wobei das letzte Kapitel von Teil 1 (U.S. Untersuchung in New York) eigentlich zu Teil 2 gehörte. Frances Wilsons Buch zählt nicht zu der leicht lesbaren Literatur. Manchmal möchte man es beiseite legen, wenn der „rote Faden“ wegen der häufigen literarischen Einschübe (Vergleiche und Zitate) überwiegend aus Joseph Conrads „Lord Jim“ und anderen literarischen Werken etwas verloren geht. Ihre Biografie wird von manchen Kritikern als „weise und klug“ und als „psychologisch“ bezeichnet. Diese ständigen literarischen Einwürfe und Psychologisierungen wirken allerdings manchmal sprunghaft und ermüdend.
Dass Bruce Ismay der Witwe Marian Thayer Liebesbriefe geschrieben hätte, wird von namhaften Kritikern als absurd bezeichnet. Die von der Autorin durch einen Zufall entdeckten Briefe Ismays an sie offenbaren vielmehr einen tief verwundeten und einsamen Menschen, der in Marian Thayer eine sensible Brieffreundin gefunden hatte. Der Briefkontakt brach im Frühjahr 1913 bereits ab.
Was ein deutliches Plus der Autorin ist, dass sie über Pauline Matarasso, Ismays Enkelin, an das private Ismay-Familien-Archiv gelangte – mit Fotografien und Presseausschnitten. In Wilsons Buch findet man daher noch nie gesehene Fotos von Bruce Ismay und seiner Familie. Schade, dass Frances Wilson nicht weitere Familienangehörige oder andere Nachfahren von Zeitzeugen wie Clifford Ismay, der Urgroßneffen von Thomas Henry Ismay, oder Margaret Ismay Drange, Großnichte von Bruce Ismay, zu Worte kommen lässt, die ein differenzierteres Bild von J. Bruce Ismay hätten vermitteln können.
GS, Navigator Nr. 58