Legenden

Zur Geschichte der Titanic gehören auch die Legenden, die sich in die Überlieferung eingeschlichen haben – manche sind vor gar nicht so langer Zeit neu entstanden.

Das Blaue Band

Die vermutlich älteste Legende ist, dass die Titanic um das Blaue Band gefahren ist, die damals symbolische Auszeichnung für die schnellste Atlantiküberquerung zwischen Europa und den USA. Demnach wollte der Kapitän unbedingt den Geschwindigkeitsrekord aufstellen und ist deswegen trotz der Eisberggefahr nicht mit der Geschwindigkeit herunter gegangen.
Diese Legende lässt sich ganz einfach widerlegen: Die Titanic war rund 46.000 BRT groß und verfügte über eine Maschinenleistung von rund 46.000 PS. – Das damals schnellste Schiff auf dem Nordatlantik, die Mauretania der Cunard Line, hatte rund 32.000 BRT und eine Maschinenleistung von rund 78.000 PS. Die Mauretania war also kleiner, leichter und hatte den stärkeren Antrieb. Die Titanic hätte niemals die Mauretania übertreffen können.

Der deutsche Offizier

Diese Legende ist vom Aussterben bedroht: In den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts tourte in Deutschland ein Seemann namens Max Dittmar-Pittmann und behauptete, er sei Offizier auf der Titanic gewesen. In seiner Autobiographie berichtete er ebenfalls von diesen Erlebnissen. Weitere Verbreitung fand seine Geschichte durch den Roman „Titanic. Die Tragödie eines Ozeanriesen“ von Josef Pelz von Felinau. Anfangs tauchte Pittmann als Offizier in dem Roman auf, später dann, als Pittmann als Hochstapler entlarvt worden war, wurde aus Pittmann Petersen, der in späteren Auflagen des Buches zudem Däne war. Doch zumindest im deutschen Titanic-Film von 1943 war Petersen noch ein deutscher Offizier auf dem britischen Schiff.
Max Dittmar-Pittmann war, wie bereits erwähnt, allerdings nicht auf der Titanic. Aber es gab einen 3. Offizier namens Herbert John Pitman auf der Titanic, der war jedoch Engländer.
Doch die Darstellungen Dittmar-Pittmanns, Felinaus Roman, der in den 30er Jahren weit verbreitet war, und der Film von 1943 haben den deutschen Offizier durchaus real erscheinen lassen – in Zeiten internationaler Vernetzung, zunehmender Digitalisierung von Archiven und offener Grenzen in Europa wäre es sicher schwerer gewesen, diese Legende überhaupt erst entstehen zu lassen.

Versicherungsbetrug!

Der Untergang der Titanic soll ein gigantischer Versicherungsbetrug gewesen sein. Man wollte auf diese Art und Weise das beschädigte Schwesterschiff Olympic elegant entsorgen und hat die beiden Schiffe einfach vertauscht …
Vielleicht würde diese Legende auch zu den ungeklärten Punkten passen, wenn es nicht einige Probleme mit der These des Versicherungsbetrugs geben würde. So wurden z. B. am Wrack der Titanic nur Bauteile mit der eingestanzten Nummer 401 gefunden – das war die Baunummer der Titanic. Wenn also die Olympic gesunken wäre, hätten entweder die Bauteile die Nummer 400 haben müssen – oder aber man hat nicht nur die Namen getauscht, sondern auch die Bauteile.
Hier könnte das Gegenargument lauten, dass nur wenige Menschen das Wrack und die Bauteile mit eigenen Augen gesehen haben – doch ein weiteres Problem der These bleibt dennoch bestehen: Damals waren Tausende Arbeiter auf der Werft beschäftigt, die dann alle Mitwisser gewesen sein müssen. Wie hat man sichergestellt, dass kein einziger von denen jemals über den Tausch gesprochen hat? Weder im Pub, noch im Krieg, noch im engsten Familienkreis? Wie hat man also diese Geschichte, wenn sie denn stimmen sollte, bis weit in die 90er Jahre des 20. Jahrhunders, also mehr als 80 Jahre lang, geheim halten können?

Kreuzfahrtschiff Titanic

Berichte der Gegenwart bezeichnen die Titanic als „Kreuzfahrtschiff“. Das ist falsch! Die Titanic war ein Transatlantikliner. Im Gegensatz zu einem Kreuzfahrtschiff, auf dem sich nur Vergnügungsreisende befinden, verkehrt ein Schiff im Liniendienst nach einem festen Fahrplan. Zu Zeiten der Titanic war eine Fahrt mit einem Transatlantikliner Teil einer An- oder Abreise, d. h. die Reise selbst war nicht das Ziel der Reise, sondern es war eher ein unvermeidbares Übel, einen Teil der Passage zum Zielort mit einem Schiff zurücklegen zu müssen.
In der heutigen Zeit sind Fährschiffe, besonders die Übernachtfähren, die z. B. Deutschland mit Schweden oder Norwegen, Holland mit England oder Italien mit Griechenland verbinden, vergleichbar mit dem Zweck, den die Titanic und alle anderen Transatlantikliner erfüllt haben: Den Transport von Menschen, Fracht und Post über das Meer. Vom Prinzip her waren die damaligen Transatlantikliner Ozeanfähren, und eine Transatlantikpassage war eine Fährüberfahrt, die mehrere Nächte dauerte.

Auf der Titanic gab es Feuerwehrleute

In Büchern in deutscher Sprache, die aus dem Englischen übersetzt wurden, kann man manchmal lesen, dass Feuerwehrleute auf dem Schiff waren. Hatte die Titanic also eine eigene Bordfeuerwehr? – Die Antwort ist ein ganz klares „NEIN!“
Auf der Titanic gab es – jetzt folgen englische Begriffe – „Stoker“, die auch als „Firemen“ bezeichnet werden. Und Stoker/Firemen sind in diesem Fall „Heizer“. Die Heizer waren an Bord, um die Kohle in die Feuerlöcher der Kessel zu schaufeln. In den Kesseln wurde Wasser zu Dampf erhitzt, und dieser Dampf war erforderlich, um die Maschinen der Titanic in Gang zu bringen und in Betrieb zu halten.
Wenn in Publikationen in deutscher Sprache „Firemen“ mit „Feuerwehrmänner“ übersetzt wurde, dann ist das schlicht und ergreifend ein Übersetzungsfehler.

© 2013, Deutscher Titanic-Verein von 1997 e. V.