Titanic Modellbausatz im Maßstab 1:400 von Revell
von Wolfgang Skudlarek (AG Modellbau)
Im April 1999 brachte die Firma Revell den schön länger angekündigten (”völlig neuen”) Bausatz der Titanic auf dem Markt. Im 99er Katalog aufgelistet mit einem auf der Verpackung abgedruckten Gemälde von Ken Marschall, im Maßstab 1:400 zum Preis von knapp 70,- Mark (BestNr. 05206). Da Marschall sehr detail-versessen ist, konnte man annehmen, dass der Bausatz entsprechend ist, und das zu einem recht günstigen Preis.
In den Handel kam die Verpackung allerdings mit einem völlig anderen Gemälde, was nicht unbedingt geglückt ist. Aber was soll´s, sehen wir uns den Karton etwas genauer an (schließlich kommt es ja auf den Inhalt an):
Äußeres
”Völlig neue Bausatzform – Separate Reling – Drei Schrauben – Super Abziehbild” usw. lobt die Werbung. Einige Grundfarben sind abgedruckt sowie Fotos eines ”Prototyp-Modells”. Bei dieser ersten Einschätzung fällt bereits auf:
- Einige Teile passen offensichtlich schlecht
- Die deutlich sichtbaren Bullaugen im Bereich des C-Decks scheinen etwas groß geraten
- Grobe, relativ einfache Struktur der Reling
- Keine Verwendung von Plexiglasteilen
Benötigt werden zur Fertigstellung des Bausatzes 15 Farben (wobei noch eine Farbe hinzukommt). Mit knapp 160 Bauteilen ist er in die Schwierigkeitsklasse ”5” eingestuft (”schwierig, über 150 Teile, für höchste Anforderungen”)
Der Inhalt
Nach den äusseren Verpackungsangaben wollen wir nun den Inhalt untersuchen. Der Rumpf ist zweiteilig in schwarz, und reicht bis zum A-Deck hinauf, zusätzlich sind Verstrebungen beigefügt, die nach der Montage dem relativ großen Rumpf mehr Stabilität geben sollen. Alle anderen Teile sind aus weißem Plastik gespritzt. Garn für die Takelage liegt dem Bausatz bei. Die Reling ist nur teilweise separat zu montieren. Fensteröffnungen sind nur eingedruckt (nicht durchbrochen), entsprechen aber nicht in allen Teilen dem Original. Die Bullaugen sind wesentlich zu groß geraten und entsprechen ebenfalls nicht dem Original. Rettungsboote und Davits bestehen aus einem Teil (wenig Detailfülle). Unwesentlich für das Modell ist das Vorhandensein beider großen Freitreppen (Teil 51, A-Deck). Dieses Detail ist später nicht mehr sichtbar.
Die Bauanleitung
Die Bauanleitung selbst ist gut umsetzbar. Verwirrend ist allerdings, dass einige Aktionen (beispielsweise das Bohren von Löchern für die Takelage oder das Abschneiden von Befestigungen) gar nicht mehr ausgeführt werden müssen.
Besondere Montagehinweise
Die Bauteile selbst sind unsauber und müssen vor dem Lackieren bearbeitet werden. Bereits jetzt liegt der Verdacht nahe, dass eine saubere Montage aufwendig sein wird. Und dieser Verdacht wird bereits in Baustufe 6 bestätigt:
In der Baustufe 2 werden die Rumpfhälften zusammengefügt. Damit der Rumpf eine größeren Stabilität erhält, sind drei Querstreben einzufügen. In der Baustufe 6 wird nun das C/B-Deck in den Rumpf eingelassen. Wurden die Verstrebungen passgenau eingefügt, dann ist das C/B-Deck-Teil breiter, als der Rumpf. Sind die Klebestelle der Verstrebungen ausgehärtet und geben nicht mehr nach, dann steht der Bastelfreund vor einem massiven Problem.
- Tipp: Entweder die Verstrebungen weglassen, oder aber das C/B-Deck-Teil (Nr.14) noch vor dem Aushärten der Verstrebungen einpassen!
Weiterhin hat man das Problem, dass sich dieses Decksteil nicht ein einer definierten Höhe an den Rumpfseiten fixieren lässt. Die Gefahr ist, dass es zu hoch oder zu niedrig eingebaut wird (mit jeweils fatalen Konsequenzen, weil alle anderen Decks auf dieses aufbauen!).
- Tipp: Nach der Montage des C/B-Decks benutzt man das Teil19 (vordere Front-Verkleidung des C-Decks als ”Schablone” (die Brüstungshöhe dieser Verkleidung muss exakt der Höhe der seitlichen Brüstung des Rumpfes an dieser Stelle entsprechen). Als ”Heckschablone” legt man das Teil 34 auf (achternes Poop-Deck) das C/B-Deck-Teil. Lässt es sich ohne Probleme in den Rumpf einbauen, dann ist das C/B-Deck auch hier in der richtigen Höhe eingebaut.
Ich bin auf diesen Mangel intensiver eingegangen, weil hier gemachte Montagefehler den Weiterbau massiv erschweren oder gar unmöglich machen. Im Bauplan wird auf diese Gefahr nicht eingegangen.
Der weitere Montageaufwand zieht sich wie ein roter Faden durch die ganze Aktion: Die Teile passen grundsätzlich schlecht und müssen vor dem Einbau intensiv bearbeitet werden, und selbst dann in Ergebnis nicht immer befriedigend. Weitere negative Knackpunkte: schwierige Montage der Treppen, zu klobige Befestigung der achternen Poopdeck-Reling (das Reling-Teil muss in heissem Wasser erst gebogen werden).
Im Bereich der Kommando-Brücke sind merkwürdiger weise zwei Teile überflüssig: die Teile 71 und 72 passen nicht und gehören auch gar nicht hierher.
Die drei Bootsdeckstützten (im Bereich des A-Decks zu montieren) sind leider sehr klobig ausgefallen.
Wenn Ihr an geeignetes Ersatzmaterial herankommt, empfehle ich die Teile 148 und 150 (vordere und achterne Wanten) gegen authentischeres Material auszutauschen. Sie passen leider nicht zu der Takelage.
Die Bohrungen der Takelagelöcher in den Schornsteinen ist ebenfalls sehr groß ausgefallen. Das erleichtert zwar das Einziehen des Garns, sieht später aber unschön aus (evtl. vorsichtig verspachteln und überlackieren).
Farbgebung, Bemalung
Die Farbvorschläge sind akzeptabel. In Bereich des vorderen und achternen Welldecks fehlt allerdings der Hinweis, dass in diesem Bereich die untere Hälfte der Aufbauten, die untere Hälfte der Kransockel sowie die Seitenwände der Ladeluken rostrot zu streichen sind Revell-Farbe 383). Wer geschickt genug ist, sollte die Fenster mit dunklem Grau hinterlegen (die Fensterkreuze nicht vergessen). Handlaufleisten, Leitern, Abschlussleiten der Aufbauten und der Reling können in braun (bzw. in Hellgrau für die Leitern) hervorgehoben werden.
Abziehbilder
Alle wesentlichen Abziehbilder sind beigefügt, inklusive der ”goldenen Rumpflinie”. Das exakte Anbringen dieser Linie ist allerdings recht schwierig (wurde es deswegen auf den Fotos des ”Prototyp-Modells” weggelassen?). Wer kann, sollte diese Linie besser mit Pinsel und Klebeband anbringen.
Abschliessende Bewertung
In der Betrachtung habe ich hauptsächlich auf Schwachstellen und Probleme hingewiesen. Ein kompletter Verriss etwa? Wir Titanic-Freunde neigen (leider) recht schnell dazu, jedes Modell, jedes Foto, jedes Buch auf Details hin zu untersuchen. Modelle (dieser Art) und die meisten Publikationen sind allerdings für einen breiteren Kundenkreis gedacht, und da kommt es eher auf ein harmonisches und stimmiges Gesamtbild an. Und da (und nur da) kann sich dieses Modell zu diesem Preis durchaus sehen lassen.
Bewertungspunkte
Verpackung (Noten 1 bis 6): Note 4
Die Verpackung ist informativ, gut auch die Fotos, auf denen man das künftige Modell einschätzen kann. Stark abwertend ist das misslungene Deckelbild.
Bauteile (Noten 1 bis 6): Note 4-
Knappe vier, da fast alle Teile nachgearbeitet werden müssen und mitunter trotzdem schlecht passen. Keine Fünf, da Korrektur meist möglich
Farbgebung (Noten 1 bis 6): 1-
Kleine Abwertung, da die Farbvorschläge unvollständig sind.
Authenzität, Detailfülle (Noten 1 bis 6): 5
Für den Titanic-Freund, der sich für die Technik des Schiffes interessiert und naturgemäß auf Details achtet, ist mit diesem Modell schlecht beraten, es sei denn, er arbeitet intensiv nach. Interessant ist dieses Modell nur für diejenigen, denen ein guter Gesamteindruck reicht.