Titanic Style. Dress and Fashion on the Voyage

Autor: Grace Evans
Umfang:
176 Seiten
durchweg illustriert mit Schwarz/Weiß- und Farbfotos sowie Reprints von Reklame 1910-1912
ISBN:
9780953956180
Preis:
£ 20

Dieses Buch kann man nicht so leicht aus der Hand legen, so interessant, flüssig und gut ist es von Grace Evans geschrieben. Die studierte Historikerin im Bereich „Geschichte der Mode“ weiß nicht nur durch ihren klaren Stil zu begeistern. Sie schreibt nicht nur über Mode an Bord der Titanic, sie weiß auch über unerwartet viele Details des Lebens an Bord Bescheid. Ihr Buch spiegelt eine umfassende Recherche z.B. über die drei Klassen an Bord wieder, über die drei Gruppen der Crew, über das Personal-Management der White Star Line, über die Räumlichkeiten der drei Klassen, die darin gebotenen Aktivitäten und vieles andere. In all den vielen Details des Bordlebens stellt Grace Evans den direkten Bezug zu den tatsächlichen Passagieren der Titanic und ihrem Modeverhalten her. Ausgehend von den so genannten Modedoktrinen der Edwardianischen Zeit beschreibt sie diese akribisch, somit auch den Einfluss, den Lady Lucy Duff Gordon mit ihren Kreationen hatte, und den etwa gleichzeitig bekannten Modeschöpfer Paul Poiret aus Paris. Die strenge „Sanduhr-Form“ der Frauen-Silhouette wurde allmählich durch eine geradere Linie abgelöst – dank der Loslösung von den Korsetten. Die Abendmode der Damen der Ersten Klasse galt als schmeichelnd und verführerisch mit ihren leichten Stoffen, Spitze, Tüll, Glitzersteinen usw.
Anhand des Tagesablaufes an Bord und den damit verbundenen Aktivitäten belegt die Autorin, wie sich die weiblichen Passagiere der Ersten Klasse jeweils kleideten. Zum Frühstück in der Kabine trugen sie „Boudoir-Kleidung“, im Erste-Klasse-Speisesaal natürlich feine Garderobe. Für den anschließenden Spaziergang an Deck wechselten sie die Kleidung, wozu ein wärmendes Kostüm oder Mantel, Hut und Handschuhe gehörten. Wollten sie an Sportaktivitäten teilnehmen, war der nächste Garderobenwechsel notwendig. Zum Lunch wechselten sie wieder zu einem formellen Kleid mit Tunika in etwas lebhafteren Farben mit passenden Accessoires, zum 5-Uhr Tee wurde die Kleidung noch einmal gewechselt. Am Höhepunkt des Tages, dem Dinner erschienen die Damen der Ersten Klasse in allerfeinsten Kreationen und Stoffen der Modebranche in bedeckten Farben mit erlesenem Schmuck. Die Autorin gibt darüber hinaus detaillierte Auskunft über das, was die Dame darunter trug sowie über Schuhe.
Ebenso genau beschreibt sie auch die Garderobe der Herren Ersten Klasse für die einzelnen Tageszeiten und Betätigungen – mit allen genauso strikten Modevorschriften wie Morning Coat zum Frühstück, Lounge-Anzug, Zylinder, Bowler oder Hut, Stock, wärmerer Dreiteiler mit Weste, Über-Mantel für draußen, die obligatorische Kleidung in Schwarz zum Dinner mit Frack, weißer Weste, Hemd, Fliege usw. Auch die kleinen Kinder der Ersten Klasse waren dem sozialen Status der Eltern angepasst. Oft trugen Jungen und Mädchen Matrosenanzüge. Sie wurden sehr warm angezogen, in mehreren Lagen übereinander. Ältere Mädchen trugen auch schon Kostümchen wie die Mutter, die Jungen Norfolk-Anzüge, allerdings mit knielangen Hosen. In Kapitel 5 erfahren wir, dass auch die Zweite und Dritte Klasse der Titanic-Passagiere modebewusst waren und die Regeln der Etikette beachteten. Je nach Geldbeutel konnten die Frauen sich schon Kleidung in Kaufhäusern, in Secondhand-Läden oder halbfertig kaufen oder sie selbst nach Schnittmustern nähen. Die Kleidung in diesen beiden Klassen war weniger verziert, aber sauber und ordentlich. Die Farbe Weiß herrschte absolut vor bei Blusen z.B. Selbst die Kleidung der Crew, der Stewards und Stewardessen, Diener und Zofen an Bord der Titanic wird genau beschrieben.
Bei den Kapiteln zur Kleidung der Ersten Klasse konnte Grace Evans auf die Schadensanzeigen betuchter Passagiere zurückgreifen und bei denen der Dritten Klasse häufig leider nur anhand von Fotos oder der Bodylist der Mackey-Bennett.
Ein ganz hervorragendes Buch, das nicht nur etwas für Frauen und Modebewusste ist, sondern auch für modisch interessierte Männer, für Liebhaber von alten Werbeanzeigen sowie für gesellschaftpolitisch Interessierte!
GS, Navigator Nr. 60