Finding Dorothy. A Biography of Dorothy Gibson

Autor: Randy Bryan Bigham
Umfang:
169 Seiten
viele Schwarz-Weiß-Abbildungen auf 49 Seiten
ISBN:
9781105520082
Preis:
ca. 29 €

Es ist doch immer wieder interessant, etwas Genaueres über das spätere Leben von Titanic-Überlebenden zu erfahren – so auch bei dieser Biografie über Dorothy Gibson, die Schauspielerin des Stummfilms „Saved From the Titanic“.
Leider ist das Leben von Dorothy nicht gerade glücklich weiter verlaufen, wie auch bei etlichen anderen Titanic-Überlebenden. Die ehemals strahlende, junge Frau hatte ein recht tragisches Schicksal, das sie sogar eine Inhaftierung in einem Nazi-Gefängnis in Italien als vermutete Faschistin erleben ließ und in einem relativ frühen Tod in Paris 1946 endete.
Obwohl der Autor Randy Bryan Bigham auf außergewöhnliche Quellen zurückgreifen konnte, bleiben doch die letzten 30 Jahre ihres Lebens rätselhaft. Bigham, der auch Autor der Lady Lucy Duff Gordon-Biografie ist, baute auf den Nachforschungen von Phillip Gowan von 2002, Aufzeichnungen einer Reporterin der 30er Jahre und persönlichen Aussagen des noch lebenden Priesters Barbareschi auf, der sie aus der Haft befreien konnte. Archive von Sammlern ermöglichten die Abbildungen von Zeichnungen von Harrison Fisher, der sie zum „Fisher-Girl“ gemacht hatte, sowie sehr viele Standbilder aus ihren Stummfilmen, Film-Plakate, Cover von Magazinen und Privatfotos.
Dieser hervorragende Bilder- und Dokumenten-Block befindet sich etwa auf 44 Seiten im Mittelteil des Buches. Die ersten Kapitel befassen sich mit Dorothy Gibsons Beginn und Aufbau ihrer Karriere, die als Musical-Sängerin und später als Model des damals bekannten Illustrators Harrison Fisher begann. Fasziniert von ihrer natürlichen Schönheit (große Augen, sinnlicher Mund, etwas lasziver, geheimnisvoller Blick) schuf Fisher mit ihr das Bild des amerikanischen Mädchens im frühen 20. Jahrhundert. Noch heute existieren Abbildungen auf zahlreichen Postkarten, Postern und Magazinen.
Ihr Erfolg als Harrison Fisher-Model führte zu ihrer nächsten Karriere als Stummfilm-Schauspielerin , engagiert von der Eclair Company, wo sie ihre große Liebe, den wesentlich älteren, verheirateten Millionär Jules Brulatour kennen lernte. Dorothy Gibson trat in sehr vielen Stummfilmen auf, meistens Komödien von ca. 10 Minuten Länge. Großen Erfolg hatte sie mit ihrem 1911 gedrehten Film „Hands Across the Sea“. Jedoch – am 17. März 1912 trat sie mit ihrer Mutter Pauline, ihrer fast ständigen Begleiterin, eine Europareise an, deren Rückreise sie mit der Titanic machen sollte …
Der Autor schreibt sehr ausführlich – mit Insidermaterial – über alle Stationen aus Dorothys  Leben. Auf 16 Seiten beschreibt er ihren Aufenthalt auf der Titanic, ihre Angst beim Betreten von Rettungsboot Nr. 7, ihre Rettung durch die Carpathia und die Ankunft in New York. Erstaunlichweise begannen bereits 2 Tage nach ihrer Rückkehr die Vorbereitungen für den Film „Saved From the Titanic“ – Dorothy im selben Kleid, derselben langen Strickjacke, Mantel und Hut, die sie bei ihrer Rettung auch getragen hatte. Dieser Film sollte Dorothy unsterblich machen. Leider ging er durch einen Studiobrand verloren.
Randy Bryan Bigham berichtet im 3. Teil des Buches über Dorothys Erschöpfung nach der Titanic-Tragödie und nach den Filmarbeiten und ihren plötzlichen Entschluss, ihre erfolgreiche Karriere als Filmschauspielerin zu beenden, nur noch auf eine Heirat mit dem Filmmagnaten Jules Brulatour fixiert. Das ersehnte Glück war jedoch nach etlichen Gerichtsverfahren nur von kurzer Dauer und ihr Ansehen war angeschlagen, weswegen Dorothy Gibson mit ihrer Mutter 1924 nach Paris zog. Mutter Pauline sympathisierte in Florenz mit faschistischen Kreisen, was bei Dorothy nicht bewiesen ist. Trotzdem geriet Dorothy in Italien unter anderem wegen Spionageverdacht in KZ-ähnliche Gefangenschaft, aus der ihr Pater Barbareschi 1944 zur Flucht verhalf. Erschöpft und krank kehrte sie in ihr Apartment in Ritz, Paris, zurück, wo sie am 17. Februar 1946 an einem Schlaganfall verstarb.
Die sehr intensiv geschriebene Biografie stimmt einen zum Ende sehr traurig. Es ist das tragische Schicksal einer einst lebenslustigen jungen Frau, die nach ihrer Rettung von der Titanic- Tragödie etliche große Schicksalsschläge erleiden muss.
GS, Navigator Nr. 76