Titanic (1997) – Der Titanic-Film aller Titanic-Filme

Die Geschichte der Titanic ist bekannt, und sie wurde vor 1997 bereits mehrfach verfilmt. Als der Film dann in der Produktion so teuer wurde, dass es zwei Filmgesellschaften benötigte, um ihn überhaupt zu finanzieren, ahnten die Medien Böses und prophezeiten einen zweiten Untergang der Titanic und dazu den des Erfolgsregisseurs James Cameron. So verzweifelt war die Lage, dass Cameron sogar auf sein Gehalt verzichtete, während der Film in der Fertigstellung war. – „Titanic“ war 1997 der teuerste Film, der bis dahin je produziert worden war. Und am Ende war „Titanic“ von 1997 der erste Film der Filmgeschichte, der weltweit mehr als 1 Milliarde US$ einspielte. Mit 11 Oscars, davon keinen einzigen für eine schauspielerische Leistung, stellte Titanic zudem den Oscar-Rekord von Ben Hur (1959) ein [1].

In Nordamerika kam der Film im Dezember 1997 in die Kinos, in Europa im Januar 1998. Bereits in der Weihnachtsausgabe 1997 hatte der STERN den Film und die Titanic als Titelthema und bildete damit den Auftakt der vielen großen Berichte zum Film, zur Titanic und zu weiteren Variationen des Themas. Die Titanic und der Film waren bis weit in das Frühjahr 1998 hinein in den Schlagzeilen, und es folgten bis weit in 1999 hinein zahlreiche Bücher – in Deutschland häufig Übersetzungen aus dem Englischen – sowie andere Merchandising-Artikel zum Film aber auch zur Titanic selbst, bei deren realem Untergang 1496 Menschen ihr Leben verloren.

Vereinsmitglieder sahen „Titanic“ (1997)

Der am 11. Juni 1997 gegründete Deutsche Titanic-Verein [2] profitierte von dem großen Titanic-Interesse, das der Film ausgelöst hatte. Gleichzeitig kam kurz vor der Filmpremiere in Europa die erste Ausgabe der Vereinszeitung heraus. Da der Film von James Cameron das alles beherrschende Thema in der Titanic-Welt von 1997 war, lag der Schwerpunkt der ersten Ausgabe auf dem Film. Schließlich fieberten Titanicer in aller Welt der Filmpremiere entgegen. Und der Film zog die Massen an; jung und alt strömten in die Kinosäle und sahen „Titanic“.

In der zweiten Ausgabe der Vereinszeitschrift, die im März 1998 erschien, teilten Mitglieder ihre Eindrücke mit. Für viele war der Film ein besonderes Erlebnis, denn erstmals merkte man, dass man mit dem Interesse an der Titanic nicht ganz allein war. Gleichzeitig konnte man das Schiff in Farbe sehen – der erste Titanic-Farbfilm war „SOS Titanic“ von 1979, doch die Außenaufnahmen wurden auf der Queen Mary gedreht [3] und es fehlte die Authenzität, die „A Night to Remember“ (deutsch: „Die letzte Nacht der Titanic“) von 1958 zugeschrieben wurde, einem Film in schwarz-weiß. James Cameron hingegen hatte sich die Mühe gemacht, das Schiff zumindest einseitig fast 1:1 nachzubauen. Außerdem hatte er auf Detailgenauigkeit großen Wert gelegt; davon berichteten auch die Schauspielerinnen und Schauspieler, wenn sie zu der Arbeit am Set befragt wurden.

Stimmen von Vereinsmitgliedern Anfang 1998:

Ich war zunächst etwas enttäuscht über den Film, aber die Art und Weise, wie Cameron ihn inszenierte und die Love-Story einbaute ist (sehr) gelungen. Und das, was mir wirklich wichtig war, ist wirklich toll: Die Uniformen, die Kulisse, eben alles was mit dem Schiff Titanic zu tun hat.

Über den Film kann man viel sagen, z. B. bombastisch, super, Spannung und Entsetzen pur, faszinierend und vieles mehr. Er war Komödie, Drama und Liebesgeschichte in einem. Ich möchte behaupten, dass dieser Film der mit Abstand beste war, den ich je gesehen habe.

Die Titanic war noch viel schöner und beeindruckender wie auf all den Fotos und Bildern, die man jahrelang betrachtet hat. Es erscheint fast wie das erste Rendezvous, bei dem die ganze Bewunderung für die Lady geweckt wird.

Das Schönste für mich war es, die Einrichtung der Titanic zu sehen und die vielen Flüge über das Schiff.

Cameron machte die Titanic lebendiger denn je, und fast wünscht man sich, einmal selbst über die große Freitreppe vorbei an der Wanduhr auf das Bootsdeck zu wandern. (…) Umso bedauerlicher ist es, dass Cameron zu Gunstern seiner Liebesromanze auf einige doch sehr wesentliche Aspekte des Unglücks verzichtet hat!

Sehr beeindruckt haben mich auch die Schreie der 1500 Menschen im Wasser. Ich war mindestens genauso geschockt wie die Menschen in den Rettungsbooten und kann heute genau nachvollziehen, warum diese Menschen so „ohnmächtig“ waren. Am Ende des Films war ich immer noch ohnmächtig.

Man muss wohl mindestens vier Mal in diesen Film gehen, um zu sehen, was in allen vier Ecken gleichzeitig abläuft; ich wusste gar nicht, wo ich zuerst hinschauen sollte. (…) Die beste Szene, oder die, die den meisten Eindruck auf mich machte, war doch relativ einfach. Man sieht das Schiff von sehr weit oben: Titanic liegt bewegungslos in der Wasserwüste, auf einmal zerplatzt mit einem dumpfen Knall eine weiße Rakete. Im Gegensatz zu den Bordszenen mit den vielen Menschen wird hier die Einsamkeit in jener Nacht doch sehr gut dargestellt. In vier Stunden wird die Rettung kommen – zu spät.

Doch es gab auch kritische Stimmen:

Hochgelobt wurde der Film im Vorfeld, zum ersten Mal sollten die historischen Begebenheiten beachtet werden, mit Geld wurde nicht gegeizt und das Resultat: Drei Stunden lang Herzschmerz, schmalzige Dialoge und banale Fehler. (…) Alles in allem war der Film von so manchen Szenen ganz gut, aber doch ein Hohn in seinem Ganzen, wenn man die PR und den Aufwand mitbetrachtet.

[Der Film] hatte am 19. Dezember 1997 in Calgary Premiere. […] Die Schauspieler, die die Offiziere der Titanic darstellten, waren für mich ein traurig aussehender Haufen, meilenweit entfernt von den auf Segelschiffen trainierten Offizieren jener Zeit, von denen jedes Wort und jeder Blick absoluten Gehorsam und sofortigen Respekt hervorrief. Von den Szenen, die meinen Verwandten Will Murdoch darstellten, war ich absolut angeekelt. Es war eine wohlüberlegte Verleumdung des Andenkens an einen herausragenden Seemann und eine Beleidigung der zahlreichen Generationen von Kapitänen, die unsere Familie in der besten Tradition der See hervorgebracht hat.

Ein besonderes Kapitel des Films: Die Murdoch-Kampagne

Der zuletzt zitierte Kommentar gibt einen ersten Hinweis auf ein besonderes Kapitel des Films, das als „Die Murdoch-Kampagne“ bekannt wurde. In Großbritannien stieß der Film nicht auf ungeteilte Zustimmung. Dorothy-Grace Elder, damals Journalistin und später Abgeordnete im schottischen Parlament, brachte es auf folgenden Punkt: „Wenn es Feiglinge sind, sind es Briten.“ Sie wies ebenfalls darauf hin, dass negativ dargestellte US-Amerikaner fiktive Charaktere waren, während negativ dargestellte Briten reale Namen erhalten hatten. Für besonders viel Aufregung in der Presse Großbritanniens sorgte die Darstellung des 1. Offiziers Murdoch, der in dem Film bestechlich ist und sich kurz vor dem Untergang erschießt, nachdem er zuvor einen Passagier aus der 3. Klasse erschossen hat. Dorothy-Grace Elder, die als Journalistin viele Kampagnen geführt hatte, u. a. auch eine gegen den Einsatz von Landminen zusammen mit Lady Diana, griff das Thema auf und „belagerte“ Hollywood. Kritische Zeitungsberichte kombiniert mit Telefonanrufen führten am Ende dazu, dass 20th Century Fox am 15. April 1998 einen Manager in den Heimatort des 1. Offiziers der Titanic entsandte. Der Manager überreichte dort einen Scheck in Höhe von £ 5.000 an den örtlichen Parlamentsabgeordneten und den Neffen des 1. Offiziers. Das Geld kam dem in Erinnerung an den 1. Offizier vor vielen Jahren gestifteten Preis zugute, mit dem jährlich herausragende schulische Leistungen an der örtlichen High School honoriert werden. Auch Dorothy-Grace Elder war vor Ort. Die Murdoch-Kampagne war durch diese Aktion von 20th Century Fox beendet worden – £ 5.000 bei einem Einspielergebnis von über 1 Milliarde US$ und eine fehlende deutlich sichtbare Klarstellung auf fiktive Elemente im Film standen unter dem Strich als Ergebnis.

Ist „Titanic“ von 1997 ein Film über die Titanic?

Nach den unmittelbaren Eindrücken von 1998, als der Film alle anderen Filme über die Titanic in den Schatten stellte und keinen Titanicer kalt ließ, ist die Distanz mittlerweile größer. Der Film wurde inzwischen unzählige Male im Fernsehen gezeigt, und auch die Filmtechnologie hat sich seit 1997 weiter entwickelt. Dennoch wird eine Frage seit der Filmpremiere immer wieder gestellt: Ist James Camerons Titanic ein Film über die Titanic?

Malte Fiebing-Petersen, 1. Vorsitzender des Deutschen Titanic-Vereins, hat in seinem Vortrags-Portfolio den Vortrag „Die Titanic aus Hollywood – Fiktion und Wirklichkeit“ [4]. In diesem Vortrag stellt er klar, dass die erste und letzte Fahrt der Titanic die Kulisse für die fiktive Liebesgeschichte ist. Dementsprechend gibt es Abweichungen von der Überlieferung, die übrigens selbst in sich nicht ohne widersprüchliche Angaben auskommt. Die im Film vorhandenen Fehler werden in fünf Kategorien eingeteilt:

1. Bewusste Fehler, die Cameron aus dramaturgischen oder szenischen Gründen gemacht hat
2. Historische Fehler, also geschichtliche Ungereimtheiten
3. Logische Fehler
4. Drehfehler
5. Titanic-Freak-Detailfehler

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der historischen Überlieferung in „Titanic“ immer dann widersprochen wird, wenn sie nicht zum Ablauf der Filmhandlung passt. Gibt es hingegen verschiedene Versionen, die nicht mit der Handlung in Konflikt stehen, dann wählte Cameron die dramatischere Variante. Man sollte diesen Film deswegen nicht mit der Erwartung sehen, dass man objektiv informiert wird. Bei dem Film geht es schlicht und ergreifend nur um den Unterhaltungswert, und der ist zweifellos sehr hoch.
„Titanic“ von 1997 ist also so sehr ein Film über die Titanic, wie „Vom Winde verweht“ ein Film über den amerikanischen Bürgerkrieg ist. Gleichzeitig ist festzuhalten, dass der Film viele Bilder in die Köpfe der Zuschauerinnen und Zuschauer gesetzt hat, die die Geschichte der Titanic in der Darstellung Camerons festschreiben konnten. „Fake Pictures“ also, in Anlehnung an „Fake News“. Und es sind diese – durchaus beeindruckenden – Bilder, die den Blick für die echte Geschichte überlagern, wenn man sich ernsthaft mit der Titanic von 1912 und den Menschen, die auf ihr fuhren, auseinander setzen möchte.

Susanne Störmer, 2017

[1] Allerdings wurden zu Zeiten von Ben Hur weniger Kategorien bei der Oscar-Verleihung berücksichtigt, so dass die Chancen für Titanic (1997) bei den Auszeichnungen größer war.
[2] Die Gründung erfolgte unter dem Namen „Titanic Informations Center Deutschland e. V.“ 2013 wurde der Vereinsname in „Deutscher Titanic-Verein von 1997 e. V.“ geändert.
[3] Die Manxman, ein Schiff der Isle of Man Steam Packet Company, wurde für Außenaufnahmen auf der Carpathia herangezogen.
[4] Das Vortragsskript wurde in der Sonderausgabe der Vereinszeitschrift im Juni 2017 veröffentlicht. Exemplare sind gegen eine Schutzgebühr erhältlich. Bei Interesse bitte anfragen bei redaktion[at]titanicverein.de. Auch der Vortrag ist buchbar. Weitere Informationen gibt es hier auf der Homepage im Bereich Vorträge.

Quellen:

Lubin, David M. (1999), Titanic, London: British Film Institute
Marsh, Ed W. (1998), James Camerons Titanic, Nürnberg: Burgschmiet
Mills, Simon (1995), The Titanic in Pictures, Chesham: Wordsmith Publications

Aus Veröffentlichungen des Deutscher Titanic-Verein von 1997 e. V.:
Diverse, „TIC-Mitglieder sahen TITANIC“, in Der Navigator Nr. 2, 1. Jahrgang, März 1998, S. 19 ff.
Fiebing-Petersen, Malte, „Die Titanic aus Hollywood“, in Der Navigator, Sonderausgabe Juni 2017, S. 19 ff.