TITANIC – The Homecoming

Tales from the Lapland


Autor: 
Dr. Paul Lee
Verlag: Independent published 24. April 2020
Taschenbuch, 257 Seiten, einige wenige Schwarz-Weiß-Fotos
ISBN: 979-8638990985
Preis: ca. 17 €

Dieses Buch von Dr. Paul Lee kann man u.a. zu den wichtigsten Büchern des Jahres 2020 zählen. Es  ist nach Günter Bäblers Crewbuch zu den Organisationsstrukturen das erste Buch, das sich näher mit den Berichten von den geretteten Crewmitgliedern beschäftigt.

Heute sind viele der Aussagen und Berichte der Crewmitglieder verloren gegangen. Paul Lee, auch Autor von „Titanic and the Indifferent Stranger“, studierter Physiker und Nuklear-Physiker aus England, hat ihre Erinnerungen und verschiedenartigen Berichte sorgfältig und sehr umfangreich gesammelt und nach dem Erscheinungsdatum sortiert.

Zum ersten Mal erscheinen hier die Ergebnisse von Recherchen von ca. 40 Zeitungen und 200 Zeitungs-Interviews und Zeitungsartikeln, Briefen und Statements – aus ganz Großbritannien, davon zwei New Yorker Zeitungen. Viele Berichte von Mitgliedern der Crew kann man hier zum ersten Mal nach über 100 Jahren lesen.

Paul Lees Buch ist grob unterteilt in drei große Blocks: 1. The Homecoming, 2. Tales from the Lapland, 3. Comments and Notes sowie ein detaillierter Anhang mit Aufführung aller geretteten Crewmitglieder – geordnet nach ihren Berufen und Tätigkeiten an Bord der Titanic. Darin erscheinen natürlich auch Alfred Theissinger als „Bedroom Steward“ der 1. Klasse und Richard Pfropper als „Second Class Saloon Steward“.

Der 54 Seiten umfassende erste Teil behandelt die Zeitspanne vom 15.-29. April 1912 – über die Zeit in New York, in der die 212 überlebenden Mitglieder der Titanic-Crew festgehalten wurden, um als Zeugen der US-Anhörungen aussagen zu können bis hin zur Ankunft in Plymouth am 28. April 1912. Auch dort wurden die erschöpften Crewmitglieder zunächst wieder vom Board of Trade festgehalten und an Zeitungsinterviews gehindert. Etwa 85 Männer der Crew – überwiegend die Heizer und  Matrosen – konnten am 29. April 1912 Plymouth mit einem Sonderzug verlassen und am Nachmittag ihre Familien in Southampton wiedersehen. In diesem Teil findet man etliche historische Aufnahmen.

Der zweite Teil von Paul Lees Buch – der wesentlich umfangreichere mit 163 Seiten – beginnt mit den unzähligen Interviews und auch kleinen Zeitungsausschnitten, die am 29. April 1912  die in Southampton angekommenen Heizer, Trimmer und Seeleute Pressevertretern aus ganz Großbritannien gaben. Es folgen Zeitungsartikel zu den Stewardessen und Stewards, Köchen und anderen Berufsgruppen.

Dabei recherchierte der Autor akribisch feine Unterschiede der Formulierung und unterschiedlich dargestellte Aspekte des Unglücks in sehr vielen Zeitungen. Diese stehen in insgesamt 254 Fußnoten, praktisch auf jeder Seite eine bis mehrere. Diese sehr häufigen Fußnoten bekräftigen die gewissenhafte Vergleichs-Recherche von Paul Lee. Sie enthalten wesentliche, zur Klärung dienliche, vergleichende Fakten, die allerdings manchmal widersprüchlich waren. Vom Leser wird eine Portion Konzentration erwartet, um die feinen Unterschiede der vielfältigen Quellen und somit auch mehrfachen Darstellungen der Zeitungsberichte nachzuvollziehen. Aber man erfährt Einzelheiten, über die nichts oder nur wenig bekannt war.

Viele Crewmitglieder wollten aus Furcht vor Repressalien anonym bleiben, während andere ausführliche Stellungnahmen abgaben wie der Heizer Frank Dymond, der Trimmer Patrick Dillon, die Stewardessen Mary (May) Sloan und Miss Stap, der Steward Alexander Littlejohn und einige andere, deren an Bord der Lapland geschriebenen Briefe abgedruckt sind.

Gemeinsam ist ihnen allen das große Vertrauen in die Titanic und  das Lob des Kapitäns, der Offiziere,  der Mannschaft und der meisten Passagiere wegen ihres vorbildlichen Verhaltens. – Von den 212 geretteten Crewmitgliedern haben 167 in der Presse Rede und Antwort gestanden, nur 69 insgesamt durften bei den Anhörungens in New York und London ihre Zeugenaussage machen.

In der Tat eine bemerkenswerte Recherche-Arbeit von Dr. Paul Lee.

GS, Navigator Nr. 93