Titanic-Modellbausatz im Maßstab 1:1200 von Revell

von Wolfgang Skudlarek (AG Modellbau)

In der heutigen Ausgabe „Aus der Schiffszimmerei“ wollen wir uns mit einem weiteren Titanic-Modell beschäftigen, der seit einigen Jahren im Handel ist. Dieser Bausatz entstammt, wie der schon rezensierte Bausatz der QE2, ebenfalls der Revell-Reihe Miniships, Steckbausätze im standardisierten Maßstab 1/1200. Alle Kriegsschiffe dieser Reihe sind als reine Wasserlinienmodelle konzipiert, was dem Erscheinungsbild keinesfalls abträglich ist, die Qualität dieser Bausätze war durchgehend beeindruckend. Bei der QE2 wich man insofern von diesem Konzept etwas ab, in dem das Modell als Vollmodell (d.h. inklusive Unterwasserschiff mit Ruder, Schrauben usw.) ausgeführt ist. Als drittes ziviles Schiff in dieser Reihe ist noch der Jubeldampfer Aida im Bunde, auf den ich in einer der nächsten Ausgaben eingehen werde.

Interessanterweise ist dieses Titanic-Modell im Katalog entweder nur mit dem Deckelbild abgedruckt, oder aber die einzelnen Teile sind auf einem Foto um den geöffneten Karton herum arrangiert. Die Teile auf diesem Foto wirken durchaus extrem detailliert und beeindrucken den Betrachter. Ein Foto eines fertigen Modells finden wir leider nicht. Wollen wir mal sehen, was dieser Mini-Bausatz wirklich bietet.

Äußeres

Das Layout der Verpackungen dieser Miniship-Reihe ist absolut identisch: Die Vorderseite ziert ein Ölgemälde, die Bauanleitung mit Bemalungsplan ist auf der Rückseite abgedruckt. Die Seitenflächen der Kartons dienen als Werbeträger für weitere Schiffe dieser Reihe.

Alle Bilder, zumindest die von Kriegsschiffen, können als durchaus gelungen angesehen werden: Die Proportionen wirken auf den Betrachter stimmig, die Bilder sind in realistischen, dezenten und authentischen Farbtönen gehalten. Leider wirkt das Bild der QE2 durch seine grellen Farben ziemlich kitschig, und auch das Deckelbild unserer Titanic reiht sich in misslungene Bilder von Titanic-Modellkartonagen ein. Zwar mögen die Farben des Bildes noch einigermaßen „durchgehen“, wenn auch die Titanic (hier gemalt zum Zeitpunkt der Kollision) vor dem nächtlichen Hintergrund viel zu hell erscheint. Das unangenehmste für den kundigen Betrachter ist aber, dass die Proportionen des Schiffes völlig daneben liegen: Das Schiff wirkt aus dieser Perspektive zu schmal, die Aufbauten wirken in der Flucht viel zu kurz. Wären da nicht die vier Schornsteine, wir hätten eine perfekte Silhouette eines Postschiffes. Auch hier der Gesamteindruck: Schade.

Weitere Informationen, was nun genau dieser Bausatz beinhaltet, werden dem Kunden nicht zuteil.

Der Inhalt

Der Klarsichtbeutel ist ziemlich prall gefüllt, man hat Mühe, nach der Entnahme wieder alles schadlos zu verstauen. Das Modell ist zweifarbig hergestellt: schwarzer, einteiliger Rumpf (bis zum Bootsdeck hinauf), alle anderen Teile sind weiß. Auf den ersten Blick ist man absolut erstaunt über die Detailfülle der Teile: Es scheint eine perfekte Verkleinerung des Revell-Bausatzes im Maßstab 1/400 zu sein: Die Stahlplatten des Rumpfes sind ebenso im Rumpf nachgebildet, wie alle Bullaugen und Fenster. Auch auf dem einzelnen Decksteilen sind (zumindest im Wesentlichen) die Lüfter, viele Poller usw. nachgebildet. Auf den zweiten Blick allerdings hätte man allerdings mehr Zurückhaltung üben sollen:

  • Die Bullaugen im Rumpf sind alle zu groß uns zu eng aneinander gereiht. Darüber hinaus folgen die Bullaugenreihen nicht der geschwungenen Linie des Rumpfes, was nicht nur disharmonisch wirkt, sondern auch die Bemalung erschwert.
  • Die kompletten Decks des Modells sind mit Reling versehen (ähnliche Ausführung, wie beim Titanic-Revell-Modell 1/570. Bei diesem kleinen Modell eigentlich schon eine Katastrophe, völlig unverständlich. Sie wirken viel zu massig und erschweren unnötig das Bemalen.
  • Das gesamte Rettungsbootarrangement wirkt ebenfalls ziemlich massig und klobig.
  • Die ganzen Lüfter hätten entweder dezenter gestaltet werden sollen, oder man hätte sie nur angedeutet. Ebenfalls schwierige Bemalung.
  • Die Schornsteine sind ebenfalls mit Details überladen: Man hätte die in Wirklichkeit kaum sichtbaren Leitern zu den Dampfpfeifen weglassen sollen. So verbreitern sie die an sich schlanken Schornsteine der Titanic.
  • Die Dockbrücke ist quasi als dicker Balken ausgeführt, andeutungsweise ist an den Seiten die Relingverstrebung angedeutet.
  • Gleiche Ausführung der Elektrokräne wie beim 1/570er Modell: Der Kranausleger wird mit einem dicken „Seil“ in Position gehalten.
  • Alle Decksaufbauten verfügen über keinerlei Fenster und Türen, was in diesem Maßstab aber nicht zu erwarten ist.
  • Der Kompassturm ist auch als fülliger Turm nachgebildet, nichts von seiner Feingliedrigkeit ist übrig geblieben.

Beigefügt ist ein hübscher Modellständer, sowie Abziehbilder (Flaggen, Namenszüge, auch für den Ständer, und für das goldene Band, hier aber in gelb).

Der Bausatz besteht inklusive Ständer aus ca. 31 Teilen.

Die Bauanleitung

Wie bei allen Modellen dieser Serie Abdruck auf der Rückseite als so genannte „Explosionszeichnung“. Nicht jeder kommt damit klar, ist aber die Platz sparendste Methode, eine Bauanleitung unterzubringen. Naturgemäß sind keine weiteren Informationen für den Bastelfreund verfügbar. Alles in Allem ist die Bauanleitung aber verständlich, da das Titanic-Modell nicht so verschachtelt ist, wie das Modell der QE2. Hier könnten bei der Bauanleitung schon eher Probleme auftreten. Fallstricke, die ein Misslingen des Modells zur Folge hätten, sind nicht zu befürchten.

Besondere Montagehinweise

Alle Modelle dieser Reihe sind in Steckbauweise zu fertigen, d.h. die einzelnen Teile sind mit Zapfen und Ösen versehen, die eine klebstofffreie Verbindung garantieren sollen. Hiervon rate ich den Modellbaufreunden allerdings ab: entweder sind die Passungen zu locker, und die Teile fallen einfach wieder auseinander, oder aber sie sind so stramm, dass sie nicht richtig zusammenpassen, die Teile kommen dann nicht in der vorgeschriebenen und nötigen Position zur Ruhe. Oft lassen sie sich dann auch nicht mehr lösen, zumindest ist die Gefahr der Beschädigung groß. Auch kann man ein Passen der Teile vor der endgültigen Montage nicht ausprobieren. Daher rate ich von dieser Technik ab. Passungen erweitern bzw. leicht abfeilen und nach Probe verkleben. Damit ist eine dauerhafte und stabile Verbindung gewährleistet. Einige Montagehinweise möchte ich noch empfehlen, die dem Modell zuträglich sind:

  • Wer sich traut, sollte sämtliche Reling entfernen.
  • Das gleiche gilt für die Schornsteinleitern und die „Stahltrossen“ der Elektrokräne.
  • Dockbrücke flach abfeilen
  • Boote und Davits vom Träger entfernen und einzeln aufsetzen
  • Streben unter der Kompassplattform herausarbeiten (aufsägen des Sockels, Teil 10)
  • Der Aufbau des Eingangsbereiches der zweiten Klasse auf dem B-Deck achtern fehlt (das darüber liegende A-Deck „schwebt“) und sollte durch ein kleines Kunststoffteil, entsprechend zugeschnitten, ergänzt werden.

Ich selbst habe bislang dieses Modell aus Zeitgründen weitestgehend nach Bauplan, also ohne die vorgeschlagenen Veränderungen, gebaut. Die Verbesserungsvorschläge werde ich aber in jedem Fall noch einmal ausprobieren.

Farbgebung, Bemalung

Der Bemalungsplan zeigt das komplettierte Schiff von der Steuerbordseite und von oben. Diese Darstellung ist für ein solch kleines Modell ausreichend. Allerdings fehlt der Hinweis, dass die Bemalung bei diesem kleinen Modell unbedingt vor dem Zusammenbau erfolgen muss!

Vorgesehen sind nur die Grundfarben, wobei die Farbtafel einen gravierenden Fehler aufweist: die Decks sollten nicht grau (57), sondern ocker (88) gestrichen werden. In der Darstellung werden Dächer von einigen Aufbauten ocker gestrichen, das ist falsch. Für eine etwas authentischere und dennoch dezente Bemalung habe ich am Ende des Beitrages eine Tabelle angehängt, nach der ich mein Modell bemalt habe.

Abziehbilder

Sind angemessen ausreichend beigefügt. Schön auch, dass die goldene Linie beigefügt ist. Nicht brauchbar sind Abziehbilder für Flaggen. Nach dem Trocknen zerbröseln Anziehbilder ohne Untergrund beim Berühren.

Zusammenfassung

Verpackung (Noten 1 bis 6): Note: 3-4

Nicht gelungenes Deckelbild, wenig Informationen für den Käufer, der sich lediglich an der auf der Rückseite des Kartons abgedruckten Bauanleitung orientieren kann, was der Bausatz beinhaltet. Allerdings rechtfertigt diese Zurückhaltung ein recht niedriger Preis. Hier gibt es größere Modelle, die das zehnfache kosten und ebenfalls wenig Information bieten!

Bauteile (Noten 1 bis 6): Note: 4-5

Die Passgenauigkeit der Bauteile ist befriedigend bis ausreichend. Leider durchgängig zu grob und klobig geraten. Teilweise ungünstige Teilestruktur (z.B. Rettungsbootarrangement), Aufbauten fehlen.

Authentizität, Detailfülle (Noten 1 bis 6): Note: 4-5

Dieses Modell ist der schlagende Beweis dafür, dass eine zu große Detailfülle sich negativ auf das Modell auswirkt. Hält man zum ersten Mal das Rumpfteil in der Hand, dann ist man zunächst fast begeistert. Beim näheren Hinsehen, auch auf die anderen Teile, dann wird die Liste der Mängel und Nachteile aber immer länger. Ich hätte sämtliche Reling weggelassen, genauso wie sämtliche Bullaugen und Fenster. Die hätte ich durch entsprechende Abziehbilder (dann auch für die Decksaufbauten) ersetzt. Die Lüfter und Kräne, das gesamte Rettungsbootarrangement und die Schornsteine hätten einfacher und dezenter gestaltet gehört. Das Konzept, dass bei den Kriegsschiffsmodellen dieser Reihe zu wirklich sehenswerten Mini-Modellen führt, wurde bei den Linern aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen aufgegeben. Schade.

Abschließende Bewertung (Noten 1 bis 6): Note: 4

Dieses Modell eignet sich zunächst für die Einsteiger unter den Modellbauern. Zwar in der Bemalung strukturell schwierig, aber dennoch gut geeignet, da der Bau recht einfach ist, wenn Grundbedingungen im Modellbau beachtet werden.

Auch ist das Modell gut geeignet zur Schaffung von Diorahmen, da sich recht preisgünstig eine Vielzahl von Modellen verwenden lässt. Auch kann der Modellbauer seiner Experimentierfreude recht freien Lauf lassen. Ich habe es nicht probiert, aber mit ein wenig Geduld und Geschick ließe sich sicherlich auch eine Olympic und Britannic bauen. Und natürlich für diejenigen unter den Modellbauern, die sich an mikro-kleinen Modellen erfreuen (mit den entsprechenden Veränderungen). Die werden sich hier austoben können.

Nicht empfehlen kann ich es den Titanic-Freunden unter uns, die glauben, preisgünstig ein kleines aber authentisches Modell der Titanic mit diesem Bausatz erstellen zu können. Hier sind entweder zu viele Abstriche zu machen, oder aber man muss massiv nachbessern. Und dies ist nur den erfahrenen und geübten Modellbauern zu empfehlen. Allen anderen rate ich auf den Standard-Revell-Bausatz 1/570 auszuweichen, der zwar ebenfalls viele Mängel aufweist, aber durch seine Größe leichter handhabbar ist.

 Farbtabelle

Farbvorschläge Revell

Alternativvorschlag

Bemerkungen

Weiß (glänzend) 5

Weiß (matt) 5

Lt. Bauplan

Schwarz (glänzend) 8

Schwarz (matt) 8

Lt. Bauplan

Rubinrot (glänzend) 38

Ziegelrot (matt) 37

Lt. Bauplan

Hellgrau (matt) 57

Staubgrau (matt) 77

Lt. Bauplan

Ocker (matt) 88

—–

Lt. Bauplan

Gelb (glänzend) 15

Beige (matt) 89

Lt. Bauplan

 

Bronze 95

Schiffsschrauben

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hinweis: Alle Farben der Firma REVELL